Der Uranmarkt liefert derzeit ein Comeback, das selbst erfahrene Rohstoffinvestoren staunen lässt. Nachdem der Sektor 2024 zeitweise wie eingeschlafen wirkte, hat der Spotpreis zuletzt deutlich angezogen und ist im September auf den höchsten Stand seit einem Jahr geklettert. Doch viel wichtiger: Der politische und strukturelle Rückenwind, der den Markt nun erreicht, ist stärker als alles, was wir seit zwei Jahrzehnten gesehen haben.

Von neuen globalen Atomkraft-Allianzen über milliardenschwere US-Initiativen bis hin zu einem dramatisch unterschätzten Angebotsdefizit – alles deutet darauf hin, dass sich der Uranmarkt gerade neu formiert.

Politischer Rückenwind: USA & UK schaffen historische Grundlagen

Mit der „Atlantic Partnership for Advanced Nuclear Energy“ haben die USA und Großbritannien ein Abkommen geschlossen, das die Atomkraft in beiden Ländern in eine neue Ära katapultiert.
Das Paket umfasst:

  • 5 Projekte für fortschrittliche Reaktoren
  • beschleunigte Prüfverfahren für Reaktordesigns
  • Ziel: komplette Unabhängigkeit von russischem Kernbrennstoff bis 2028

Diese Vereinbarung verkürzt Genehmigungszeiten, senkt Kosten und schafft erstmals eine transatlantische Basis für modernste Nukleartechnologie.

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Parallel dazu betonte US-Energieminister Chris Wright, dass die USA ihre strategische Uranreserve massiv ausbauen müssen. Angesichts der Tatsache, dass amerikanische Reaktoren gerade einmal 14 Monate Brennstoff auf Lager haben – verglichen mit 2,5 Jahren in der EU und 12 Jahren in China – ist der Handlungsdruck enorm.

Die Aussage wirkte wie ein Startschuss und ließ die Aktienkurse von Uranunternehmen in die Höhe schnellen.

Uranpreise steigen auf breiter Front

Nicht nur der Spotpreis, sondern auch die Langfristverträge ziehen deutlich an.
Versorger sichern sich wieder mehrjährige Liefermengen – typisch für die Herbstsaison, in der traditionell die meisten Uranverträge weltweit abgeschlossen werden.

Diese Entwicklung signalisiert einen strukturellen Wandel:
Der Markt kehrt nach Jahren der Überversorgung in ein Defizit zurück.

Geopolitik & Energiepolitik: Atomkraft wird globale Priorität

Die Trump-Administration macht Atomenergie zur Chefsache:
Uran, Brennstoffketten und nukleare Komponenten sollen künftig eine zentrale Rolle in US-Exportstrategien spielen.

Das Energieministerium erhielt zusätzlich 2,7 Mrd. US$, um die inländische Brennstoffproduktion wiederzubeleben. Das ist ein längst überfälliges Signal für US-Uranproduzenten.

99 % des 2023 in den USA verbrauchten Uranoxidkonzentrats (U₃O₈) stammte aus dem Ausland – diese Importabhängigkeit soll enden.

Weltweit vollzieht sich ein stiller, aber gigantischer Umschwung

Nach dem Hype der Jahre 2022–2023 hatten Hedgefonds massiv gegen Uran gewettet – in der Annahme, dass dem Sprott Physical Uranium Trust irgendwann die Liquidität ausgeht.

Doch das Gegenteil passierte: Sprott schuf neue Liquidität, die Short-These implodierte – und:

  • Uranpreise sprangen um 15 %
  • Uranaktien um 45 %

Dabei begann erst das, was man rückblickend als Wendepunkt sehen wird: die Welt entscheidet sich pro Atomkraft.

Historische Wende in der Finanzierung von Atomkraft

Ein Meilenstein passierte fast unbemerkt: Am 12. Juni hob die Weltbank ihr über 60 Jahre altes Atomkraft-Finanzierungsverbot auf.

Künftig können finanziert werden:

  • Modernisierung bestehender Reaktoren
  • Laufzeitverlängerungen
  • Small Modular Reactors (SMRs)

Das passt zur weltweiten Zielsetzung: Verdreifachung der Atomkapazität bis 2050 – beschlossen beim UN-Klimagipfel.

Neue Projekte weltweit – und sie kommen schneller als gedacht

Kanada

  • Bau von 4 SMRs in Ontario
  • Genehmigungen vorhanden
  • Baubeginn: dieser Sommer
  • Stromproduktion: ab 2030

USA

  • Westinghouse plant 10 neue AP1000-Großreaktoren
  • Mehrheitliche Finanzierung bis 2030

Japan

  • Erstmals seit Fukushima: Standortprüfung für einen neuen Reaktor in Mihama

Technologie & Energiehunger

Tech-Giganten planen zunehmend KI-Rechenzentren, die exklusiv mit Atomstrom betrieben werden sollen.

Laut BloombergNEF könnten Rechenzentren 2035 bereits 8,6 % des US-Stromverbrauchs ausmachen – gegenüber 3,5 % heute. Atomkraft wird damit zum fundamentalen Standortfaktor für Digitalisierung.

Trump revolutioniert den US-Genehmigungsprozess

Am 23. Mai unterzeichnete Donald Trump vier Executive Orders, die das jahrzehntelange regulatorische Nadelöhr für neue Reaktoren durchbrechen sollen.

Die wichtigsten Punkte:

  1. Beschleunigte Lizenzen (18 Monate statt jahrzehntelang)
  • Für Reaktoren, die bereits DOE- oder DOD-Sicherheitsbewertungen bestanden haben.
  1. Vervierfachung der US-Atomkraftkapazität bis 2050

Auf 300 Gigawatt, inklusive:

  • Reaktivierung stillgelegter Anlagen
  • Finanzierung halbfertiger Projekte
  • Bau von 10 Großreaktoren bis 2030
  1. Technologie-Offensive
  • 3 Pilotreaktoren bis 2026
  • Überarbeitung aller DOE-Vorschriften
  1. Strategische Standortplanung
  • Atomstrom für Militärbasen und Datenzentren.

Angebotsseite: Das unterschätzte Risiko

Während die Nachfrage rasant steigt, schwächelt die Angebotsseite – ein gefährlicher Mix:

  • Paladin (Namibia): Produktion bleibt hinter Erwartungen zurück
  • Honeymoon (Australien): technische Probleme
  • Kazatomprom (Kasachstan): massive Entwicklungsverzögerungen
  • Cameco: Senkung der Produktionsprognosen

Diese Projekte sind keine Randnotizen – sie sind essenziell, um das wachsende Defizit zu decken.

Fazit: Der Uranbullenmarkt steht erst am Anfang

Die Lage ist klarer denn je:

  • Nachfrage explodiert durch KI-Rechenzentren, geopolitische Neuordnung, Westallianzen und SMRs
  • Politische Blockaden lösen sich weltweit
  • Kapital fließt zurück in Atomenergie
  • Das Angebot stagniert oder bröckelt

Das letzte Mal, dass Uran eine ähnliche Fundamentalkonstellation hatte, war in den 2000ern – damals verzehnfachte sich der Spotpreis.

Heute sind wir wieder an einem solchen Punkt.
Dieses Mal jedoch mit einem Faktor, den es damals nicht gab:

  • eine global koordinierte Rückkehr zur Atomkraft

Der Uranbullenmarkt hat nicht nur begonnen – sein stärkster Teil liegt wahrscheinlich noch vor uns.

Miriam Kraus
Die selbstständige Finanzanalystin Miriam Kraus hat sich in den vergangenen 15 Jahren in der Branche einen Namen gemacht. Auftraggeber wie Banken und Investmentgesellschaften sind immer wieder beeindruckt von ihren akribisch recherchierten Berichten. Dabei hat sie sich weitreichende Börsenkenntnisse angeeignet, insbesondere in ihren Spezialgebieten Osteuropa-Aktien, Emerging Markets, Devisen- und Rohstoffmärkte.