Ein Zoll, der den Kupfermarkt spaltet

Mit einem einzigen Satz sorgte Donald Trump am 8. Juli 2025 für massive Verwerfungen an den Rohstoffmärkten: Die laufende Überprüfung von Kupferwerkstoffen und -produkten soll ab dem 1. August in Zölle von bis zu 50 % münden. Zwar hatten Marktteilnehmer mit Maßnahmen gerechnet, doch Tempo und Umfang überraschten selbst erfahrene Analysten. Die Folgen reichten weit über den Kupfermarkt hinaus.

Explodierende Preise und ein gespaltener Markt

Die Reaktion ließ nicht lange auf sich warten:
COMEX-Kupferpreise (USA): +13 %
LME-Kupferpreise (London): –1,5 %

Zeitweise lag der Preisunterschied zwischen US- und Weltmarkt bei über 25 %. Während die globalen Preise weiterhin von soliden Fundamentaldaten getragen werden, mussten US-Käufer massive Aufschläge zahlen.

Um sich abzusichern und von der Preisdifferenz zu profitieren, bauten Händler und Industriekunden in den USA große Lagerbestände auf. Die Folge:
COMEX-Lagerbestände auf dem höchsten Stand seit 2014
LME-Bestände in Nord- und Südamerika nahezu leer

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Zollsorgen greifen auf raffiniertes Kupfer über – neuer Preisschub

Die Nervosität am Kupfermarkt hat zuletzt eine neue Eskalationsstufe erreicht. Die Preise sind auf ein weiteres Rekordhoch von 11.540 US-Dollar je Tonne gestiegen, nachdem sich die Sorgen über mögliche US-Importzölle nun auch auf raffiniertes Kupfer ausgedehnt haben.

Damit schließt sich eine entscheidende Lücke in der bisherigen Zoll-Debatte. Während die US-Regierung im Sommer zunächst nur halbfertige Kupferprodukte und Derivate mit Zöllen von bis zu 50 % belegte und raffiniertes Kupfer ausnahm, wächst nun die Befürchtung, dass auch diese Ausnahme fallen könnte. Laut Thu Lan Nguyen, Leiterin der Devisen- und Rohstoffforschung der Commerzbank, drohen steigende Auslieferungsanforderungen und Angebotsängste die Lagerbestände an der London Metal Exchange (LME) weiter auszudünnen – mit entsprechendem Aufwärtsdruck auf die Preise.

Lagerbewegungen als Preistreiber

Die Markterfahrung der vergangenen Monate zeigt, wie sensibel Kupfer auf Zollsignale reagiert. Nachdem raffiniertes Kupfer zunächst verschont geblieben war, kam es zu einem deutlichen Preisrückgang an der US-Terminbörse COMEX, während sich die LME-Bestände ab der Jahresmitte erholen konnten. Große Metallmengen waren zuvor im Vorgriff auf die Zölle in die USA verschifft worden.

Diese Phase der Entspannung scheint nun vorbei zu sein. Die Sorge, dass die Zölle doch noch auf raffiniertes Kupfer ausgeweitet werden könnten, führt erneut zu einer Abwanderung von Lagerbeständen von der LME in Richtung USA. Verstärkt wird dieser Effekt durch einen zuletzt stark gestiegenen Bedarf an physischer Metallauslieferung – ein klassisches Warnsignal für eine sich zuspitzende Knappheit.

Beschleunigte Zollpläne als Risikofaktor

Brisant ist dabei: Der US-Handelsminister hatte ursprünglich vorgeschlagen, Zölle auf raffiniertes Kupfer erst ab 2027 schrittweise einzuführen. Ziel war es, der heimischen Industrie ausreichend Zeit zu geben, Produktionskapazitäten aufzubauen. Doch angesichts der aktuellen politischen Dynamik erscheint eine Beschleunigung dieses Zeitplans keineswegs ausgeschlossen.

Die strukturelle Ausgangslage ist dabei eindeutig. Nach Daten des US Geological Survey (USGS) liegt der Selbstversorgungsgrad der USA bei Kupfer aktuell bei nur rund 50 %. Solange diese Lücke besteht, bleibt der Markt extrem anfällig für politische Eingriffe – und jede neue Zoll-Andeutung wirkt wie ein Brandbeschleuniger für Preise und Lagerverlagerungen.

Verbindung zur strukturellen Verknappung

Damit verstärken sich mehrere Kräfte gegenseitig:

  • politische Unsicherheit durch drohende Zölle,
  • physische Hortung in den USA,
  • sinkende LME-Bestände,
  • steigende Auslieferungsanforderungen
  • und ein bereits bestehendes Angebotsdefizit.

Solange diese Faktoren zusammenwirken, bleibt das Risiko erneuter kräftiger Preisschübe hoch. Der Kupfermarkt ist nicht nur fundamental unterversorgt – er ist zunehmend politisch getrieben.

Angebotsseite unter massivem Druck

Parallel verschlechtert sich der Angebotsausblick deutlich. Minenstörungen, Unfälle und gesenkte Förderprognosen prägen das Bild bis mindestens 2026. Große Produzenten wie Glencore und Rio Tinto haben ihre Produktionsziele spürbar reduziert.

Analysten sehen den Kupfermarkt bereits heute klar im Defizit. Die Schätzungen für die Unterversorgung reichen von 150.000 Tonnen bis fast 600.000 Tonnen. Die Deutsche Bank spricht von einem Jahr 2025 mit „erheblichen Störungen“ und erwartet die schwächste Minenproduktion im vierten Quartal 2025 und ersten Quartal 2026. Für die erste Jahreshälfte 2026 werden Spitzenpreise und eine extrem angespannte Marktlage prognostiziert.

Nachfrageboom trotz Konjunktursorgen

Auf der Nachfrageseite bleibt Kupfer unverzichtbar. Der Ausbau von Stromnetzen, erneuerbaren Energien, Elektrofahrzeugen und insbesondere Rechenzentren für KI verschlingt enorme Mengen des Metalls. Kupfer wird dort nicht nur für die Stromversorgung, sondern auch für Kühlung und Infrastruktur benötigt.

Bemerkenswert: Selbst eine schwächere Konjunktur in China konnte diese Dynamik bislang nicht bremsen.

Die Preisprognosen spiegeln die Zuspitzung wider:
• Konservative Szenarien: ~10.650 US-Dollar/Tonne (2026)
• Optimistische Szenarien: bis zu 15.000 US-Dollar/Tonne

Andrew Glass, CEO von Avatar Commodities, spricht sogar von „galaktischen neuen Höchstständen“, insbesondere weil die physische Hortung in den USA die internationale Verfügbarkeit weiter schmälert.

Fazit

Zölle spalten den Markt, entziehen dem Weltmarkt physisches Metall und treiben die Preise auf immer neue Höchststände. Für US-Produzenten mit wachsender Inlandsproduktion verschärft sich dadurch nicht das Risiko – sondern der strategische Rückenwind.

 

 

 

 

Miriam Kraus
Die selbstständige Finanzanalystin Miriam Kraus hat sich in den vergangenen 15 Jahren in der Branche einen Namen gemacht. Auftraggeber wie Banken und Investmentgesellschaften sind immer wieder beeindruckt von ihren akribisch recherchierten Berichten. Dabei hat sie sich weitreichende Börsenkenntnisse angeeignet, insbesondere in ihren Spezialgebieten Osteuropa-Aktien, Emerging Markets, Devisen- und Rohstoffmärkte.