Die Weltwirtschaft befindet sich im wahrscheinlich tiefgreifendsten technologischen Umbruch seit Erfindung des Mikrochips. Künstliche Intelligenz, Hochleistungsrechenzentren, neue Waffensysteme, Elektrofahrzeuge und Energiespeicher – all diese Zukunftstechnologien laufen nur mit einem Rohstofffundament, das oft übersehen wird: kritische Mineralien und seltene Erden.

Mit dem jüngsten US-chinesischen Handelsdeal, der zwar kurzfristig Spannungen reduziert, jedoch keineswegs den geopolitischen Rohstoffkonflikt entschärft, rückt der strategische Wert dieser Elemente noch stärker ins Zentrum. Denn während beide Länder versuchen, ihre wirtschaftlichen Beziehungen zu stabilisieren, wird der Wettlauf um Rohstoffsicherheit eher beschleunigt als verlangsamt.

Die Folge: Eine globale Neuordnung der Lieferketten – und ein massiver Investitionsschub in alternative Produzenten außerhalb Chinas.

Die Rolle kritischer Mineralien in der KI-Wirtschaft

Die wachsende digitale Wirtschaft treibt die Nachfrage nach kritischen Mineralien rapide nach oben. Viele dieser Metalle besitzen besondere magnetische und thermische Eigenschaften und sind daher unverzichtbare Bestandteile von:

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  • KI-Systemen und Rechenzentren
  • Halbleiterfertigung
  • Batterie- und Energiespeichertechnologien

Je stärker KI in alle Branchen integriert wird, desto größer wird der Bedarf an effizienter Datenverarbeitung, fortschrittlichen Batterien und nachhaltigen Energiequellen – und damit an den entsprechenden Rohstoffen.

Der Begriff „kritische Mineralien“ umfasst zahlreiche strategisch wichtige Elemente, darunter besonders Seltenerdelemente (REEs), die das Rückgrat moderner technologischer Infrastruktur bilden.

Neue Allianzen formen die Rohstoffwelt um

Die zunehmende Bedeutung dieser Metalle legt eine starke geografische Konzentration der Produktion offen – allen voran in China. Um diese Abhängigkeiten zu reduzieren, entstehen weltweit neue Partnerschaften, die rohstoffreiche Förderländer mit verarbeitungsstarken Industrienationen verbinden.

Ein Beispiel dafür ist Graphit:

  • Afrika (Madagaskar, Mosambik, Tansania) besitzt rund 25 % der weltweiten Reserven.
  • Länder wie Deutschland, Japan, Südkorea und die USA investieren gleichzeitig in die Produktion von Graphit-Anodenmaterialien – dem Herzstück von Lithium-Ionen-Batterien.

Ähnliches gilt für Seltene Erden:
Australien, Brasilien und Vietnam bauen ab, während Europa, Malaysia und die USA Raffineriekapazitäten aufbauen, um die extrem verwundbare Lieferkette zu diversifizieren.

Aufstrebender Markt: Seltene Erden als geopolitisches Druckmittel

China dominiert die komplette Wertschöpfungskette:

  • 71 % der Produktion
  • 50 % der globalen Raffination
  • quasi 100 % der Versorgung mit Dysprosium und Terbium
  • und fast 90 % der NdFeB-Magnetproduktion

Diese Marktmacht ermöglicht es Peking, Preise zu steuern, Technologien unter Exportkontrolle zu stellen und Wettbewerber durch zeitweise Marktflutungen zu verdrängen.

Doch alternative Produzenten stehen in den Startlöchern:

  • Die USA sind zweitgrößter REE-Produzent, verfügen aber über minimale Reserven.
  • Australien hat 61 % der bekannten Reserven, aber nur 4 % der Produktion – ein enormes ungenutztes Potenzial.
  • Afrika entwickelt mit der African Green Minerals Strategy eine kontinentale Rohstoffagenda.
  • Kanada baut seine Förder- und Veredelungskapazitäten aus.

Grönland, Trump und die Rückkehr des Rohstoffnationalismus

Die Debatte um Grönland, die durch Donald Trumps Annexion-Kommentar ausgelöst wurde, hat den Fokus der Märkte wieder geschärft. Ein Beispiel:

Critical Metals erhielt jüngst 120 Mio. US$ von der US-Export-Import-Bank zur Entwicklung des Tanbreez-Projekts. Doch das Projekt birgt Risiken:

  • keine eigene Trennanlage
  • unklare Verarbeitungskapazitäten in den USA
  • anspruchsvoller technischer Prozess
  • erheblicher Rückstand bei der Magnetproduktion in der westlichen Welt

Solange die Verarbeitung nicht gesichert ist, bleiben die Materialien buchstäblich im Boden oder als Rohmaterial wertlos.

Hinzu kommt:
Chinas Exportbeschränkungen für REE-Trenntechnologien zwingen den Westen dazu, Know-how und Anlagentechnik von Grund auf nachzubauen – ein Prozess, der Jahre dauert.

Das DoD steigt ein – und verändert den Spielplan

Im Juli sendete die US-Regierung ein deutliches Signal:
Das Verteidigungsministerium (DoD) hat 400 Mio. US$ in wandelbare Vorzugsaktien von MP Materials investiert und damit rund 15 % des Unternehmens übernommen – ist nun größter Aktionär.

Ziel:
Eine vollständige amerikanische Lieferkette für NdFeB-Magnete aufzubauen, die in F-35-Jets, Raketen, Drohnen, Elektrofahrzeugen und Windkraftanlagen unverzichtbar sind.

Doch ein Problem bleibt:
Die Mountain-Pass-Mine von MP Materials liefert zwar Neodym, aber kaum Dysprosium oder Terbium – die Hitze-stabilisatoren der Magneten.
Und China kontrolliert fast den gesamten globalen Markt dafür.

Big Picture: Technik, Geopolitik und Industriepolitik treffen aufeinander

China besitzt nicht nur die Minen – sondern das komplette Ökosystem:

  • Raffination
  • Verarbeitung
  • Technologieexport
  • Preisbildung
  • Magnetfertigung
  • Fachwissen

Das macht den Aufbau westlicher Kapazitäten extrem komplex und teuer.
Doch der US-Einstieg bei MP Materials zeigt: Die USA sind erstmals bereit, Rohstoffe selbst zu höheren Kosten abzunehmen, um strategische Abhängigkeiten zu reduzieren.

Das eröffnet neue Chancen für Produzenten außerhalb Chinas – vielleicht zum ersten Mal seit zwei Jahrzehnten.

Fazit – ein Markt an der Schwelle zur neuen Ära

Die Nachfrage nach kritischen Mineralien wird weiter steigen – getrieben durch:

  • KI-Systeme und Rechenzentren
  • saubere Energietechnologien
  • die Halbleiterindustrie der nächsten Generation
  • digitale Infrastruktur
  • die globale militärische Aufrüstung

Laut IEA soll die weltweite Halbleiterindustrie bis 2030 ein Marktvolumen von 1 Billion US$ erreichen. Die Nachfrage nach Mineralien für saubere Energien könnte sich bis dahin mehr als verdoppeln.

Und während China weiterhin dominiert, treibt der geopolitische Druck eine neue Welle globaler Partnerschaften an. 2023 stiegen die Ausgaben für Mineralexploration bereits um 15 %, angeführt von Kanada, Australien und zunehmend auch Afrika. Dieser Trend dürfte sich beschleunigen – und öffnet heute Investitionschancen, wie wir sie seit 20 Jahren nicht mehr gesehen haben.

Alexander Hirschler
Alex ist studierter Betriebswirt. Er hat sich schon sehr früh für Finanzthemen interessiert und eine große Leidenschaft für die Börse entwickelt. Daraus ist eine Berufung geworden. Seit 2016 schreibt er fundierte Aktienanalysen mit dem Ziel, Anlegern eine Hilfestellung bei ihren Investmententscheidungen zu geben. Finde Alex auf Xing